04. Reisebericht Brasilien

Brasilien 2007

Auszug einer Mail an meine Freunde

Oi Amigos,
War schon mal einer von euch beim Oktoberfest?
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Ich schon – letztes Wochenende in Blumenau. Kaum zu glauben, aber da steht tatsächlich mitten in Brasilien ein fachgewerktes (angehämmerte Plastik) Kleinod an deutschbürgerlicher Städtigkeit. Die deutschen Nationalfarben wehen als Wimpel, Fahnen und Tücher zu Dekozwecken aus allen Ecken – und von den Geraden eigentlich auch. Pünktlich zum Oktober wird diese Stadt jährlich von einer riesigen Menschenmenge bereitwilliger Exzesssäufer heimgesucht, die sich an als deutsch getarntem Bier (deutsche Nahmen "Eisenban", doch brasilianischer Herkunft) laben und zu deutscher Volksmusik einträchtig tanzen. Es werden T-Shirts mit (falsch geschriebenen) deutschen Sprüchen, deutsche Trachten, spaßige Hüte, deutsche Bratwurst (na ja) und alles Erdenkliche in den deutschen Farben verhökert. Viele Brasis ziehen in an deutschen Dirndels und Lederhosen angelehnten, doch weitaus sexier geschnittenen Klamotten, über die Kirmes und durch die Hallen, in denen das Bier in rauhen, wirklich sehr ganz dolle arg rauhen Massen fließt. Oder anders: Alle sind sturzbetrunken, feiern und tanzen. Blaskapellen spielen und die deutschen Liedtexte klingen arg nach Sprachbehinderung. Bei völligem Ausfall des Textes rettet immerhin das gerngehörte „Zickezacke, Zickezacke...hai,hai,hai“ über die Pause. Auch schön:
„Ein Prosit, ein Prosit, der Gemütlischkeit...“
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Ich fands klasse. Die Stimmung war ausgelassen und das Bild der Deutschen als stumpfsinnige, doch genussfreudige Partymacher sagt mir weit mehr zu als das der ewigen Stänkerer, sprich zweimaligen Weltkriegsbeginner, mit preußischen Tugenden und Stöckern im Arsch. Tatsächlich denken in dieser Gegend alle, dass jede Stadt in Deutschland im Oktober so richtig abgeht. Deutschland im Herbst? Das ist Oktoberfest. Man muss ja nicht immer alles aufklären, oder?
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Apropos Fremdwahrnehmung, kürzlich habe ich zum ersten Mal das Wort "1st-World-Country" (Erste-Welt-Land) gehört, weil mich ein paar Brasis fragten, wie es sei, aus einem derartigen zu kommen. Bei uns redet man ja immer nur von Dritte-Welt bzw. jetzt neu politisch korrekt von Entwicklungsländern, aber den Umkehrschluss hatte ich noch nie so wörtlich vernommen. Ein brasilianischer Freund war gerade aus Europa zurück und schilderte seine Eindrücke (das Reziproke meiner). Sein Fazit: Bei uns sei alles "Happy End". Hm... War ein sehr interessantes und aufschlussreiches Gespräch. Mal ehrlich, wir habens schon gut.

Schöne Grüße von der dritten in die erste Welt,
eure Juliane

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